Foto aus Wikipedia, Urheber: Brunswyk
Chatschkar (armenisch խաչքար, transliteriert Xačkar) heißt wörtlich übersetzt Kreuzstein. Ein Chatschkar ist ein kunstvoll behauener Stein mit einem Kreuz in der Mitte.
Ein Chatschkar ist eine Stele, ein Monolith, mit eingravierten Kreuzen, Weintrauben, Palmenblättern, Tieren, Ranken und Schriftzeichen. Chatschkare sind Gedächtnis-Monumente und künstlerische Objekte ganz besonderer Art. Im Mittelpunkt steht das Kreuz, der Rest ist vollständig mit feinem Flechtwerk, Palmenblättern, Ranken, Weintrauben, Tiermustern, Ornamenten, mit abstrakten Verknotungen und Rosetten überzogen und in der unteren Hälfte oft mit einer Sonnenscheibe geschmückt. Die Steine sind gewöhnlich vollständig mit bemustert. Gelegentlich wird der Stein von einem Gesims mit biblischen Themen oder Heiligenabbildungen bekrönt.
Die Steinplatten, manchmal zwei oder drei Meter hoch, sind vorne völlig bearbeitet und hinten entweder glatt oder mit Schrift versehen. Oben sind die jüngeren Chatschkare manchmal mit einer Art Krone abgeschlossen.
Die Darstellungen sind wegen der Bildkompositionen eindrucksvoll, es gibt eine große Harmonie der Motive. Die in Stein gemeißelten Verzierungen gleichen Goldschmiedearbeiten, werden immer feiner und zarter, sehen aus wie mit feiner Nadel gestickte Pflanzenornamente. Die Gravuren lassen den Stein leicht aussehen, manchmal wie ein besticktes Kissen.
Die Grundstimmung, die Ausstrahlung der Chatschkare ist stets positiv, fröhlich, hell und Optimismus erweckend. Das Kreuz thront inmitten von Ornamenten, Zeichnungen, Verzierungen und Arabesken, wobei es nie bedrohlich wirkt (in dem Sinne, dass es an die Hölle erinnert).
Geschichte
Die ersten Chatschkare im heutigen Sinne wurden im 9. Jahrhundert entwickelt, nachdem Armenien sich von arabischer Herrschaft befreit hatte. Es begann eine kulturelle Blütezeit, in der auch eine Wiederbelebung des armenischen Baustils einsetzte. Die noch erhaltenen Chatschkare stammen vor allem aus der Zeit bis zum 13. Jahrhundert. Ihre Veränderungen während der Jahrzehnte und Jahrhunderte laufen parallel zu den stilistischen Veränderungen, die die armenische Architektur damals erlebte.
Grobförmige Proto-Chatschkare gab es in Armenien schon früher. Steinsäulen, Menhire, Pfeiler, Obelisken aus vorchristlicher Zeit sind im Osten der heutigen Türkei gefunden worden. Der älteste typische Chatschkar, der uns bekannt ist, wurde 879 geschnitzt. Königin Katranide hat ihn in Garni errichten lassen. Sie war die Ehefrau von König Aschot I. Bagratuni.
Ab dem 10. Jahrhundert werden die Formenkompositionen der Chatschkare noch vielfältiger. Es war die Zeit, als die armenischen Städte in der heutigen Osttürkei und im Kaukasus einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung erlebten. Es wurden viele Klöster gebaut. Architektur, Malerei, Bildhauerei wandten sich auf neue Weise religiösen und weltlichen Themen zu. Der Höhepunkt der Kunst des Chatschkarschnitzens begann im 12. Jahrhundert. Die Invasion von Seldschuken und Mongolen behinderte die Entwicklung der Kunst der Armenier. Die folgenden Jahrhunderte werden in der armenischen Geschichte allgemein als die „dunkle Zeit“ bezeichnet. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde Armenien aufgeteilt, ein Teil fiel an das Osmanisches Reich (heutige Osttürkei), ein andere Teil fiel an Persien (heute Iran). Die Tradition lebt insofern weiter, als man heute noch in einigen Gebieten in Eriwan Chatschkar-Schnitzer finden kann. Doch die Steinschnitzer haben nie wieder das künstlerische Niveau des Mittelalters erreicht.
Heute gibt es ungefähr 40.000 Chatschkare. Die meisten stehen im Freien. Chatschkare, auf denen Spendenangaben notiert wurden, wurden in die Wände der Klöster eingebaut. Bei den folgenden drei Chatschkaren handelt es sich um die feinsten Beispiele dieser Kunstform:
Der im Geghard-Kloster, geschnitzt 1213 vermutlich durch die Meister Timot und Mechitar
Der in Haghpat, geschnitzt 1273 durch Vahram
Ein Chatschkar in Goschawank, geschnitzt 1291 durch Poghos
Einige wertvolle Exemplare wurden in das historische Museum in Eriwan und hinter die Kathedrale in Etschmiadsin gebracht. Die außergewöhnlich wertvollen Monumente wurden von Wissenschaftlern in mehrere Gruppen eingeteilt. Dennoch ist jeder von ihnen individuell.
Systematische Zerstörung
Im Dezember 2005 erschienen Berichte, die zum wiederholten Male die systematische Zerstörung der Kunstwerke durch aserbaidschanische Soldaten belegen. Der Umfang der Beschädigungen und der Zerstörung ist unermesslich. Die Zerstörungsaktion zeugt vom Fehlen jeglichen Respekts vor dem Kulturerbe anderer Völker, sie wird von supranationalen Behörden als „similar to the Taliban’s demolation of the Bamiyan Buddhas in Afghanistan“ (s. „The Independent“, 30. Mai 2006) bewertet und gefährdet in hohem Maße Aserbaidschans Annäherungsversuche an die Europäische Union.
Zweck und Einsatz
Chatschkare wurden als Sinnbilder für Erlösung und Kreuzigung geschaffen, als Geschenke für Klöster und um das Christentum zu verbreiten. Es gibt Chatschkare, die an militärische Siege erinnern, historisch wichtige Ereignisse festhalten oder den Zweck haben, an die Fertigstellung von Brunnen, Brücken und anderen Bauwerken zu erinnern.
Viele Chatschkare wurden zur Errettung der Seele errichtet. Mit anderen sollte einer unerfüllten Liebe gedacht werden oder auch Schutz vor Naturkatastrophen ermöglicht werden. Fast will es scheinen, dass sie immer dann angefertigt und aufgestellt wurden, wenn es galt, die Erinnerung an einen Menschen oder ein wichtiges Ereignis wach zu halten. Es gab sogar Kreuzsteine, denen man schützende Wirkung zuschrieb und somit als eine Art heiliger Ort galten.
Der Ort mit der größten Ansammlung von Chatschkaren in Armenien ist heute ein alter Friedhof mit rund 900 Chatschkaren aus verschiedenen Perioden und verschiedener Arten, das Chatschkarenfeld in Noratus am westlichen Ufer des Sewansees. Bis zur Zerstörung waren die Ruinen des alten Jugha in Nachitschewan (einer autonomen Republik in Aserbaidschan) die größte Ansammlung.
Historische Belege
Chatschkare sind außerdem wichtig wegen ihrer Inschriften, die oft Stifter, Steinmetze und Ereignisse nennen. Sie sind damit Dokumente der Geschichte der Armenier.
Unglaublich, dass man Stein so filigran bearbeiten kann!
Über Armenien wusste ich bisher überhaupt nichts, jetzt bin ich wieder ein bisserl schlauer geworden!
Liebe Grüße
Renate
Das ist wieder mal richtige Kunst, schön!!
Gemütliches Wochenende, Sonne hatte ihr jetzt eh lang genug 😉
Huggels, Eveline