Hühnergott

Hühnergötter
Hühnergötter, getrommelt

Als Hühnergott wird ein Stein mit einem natürlich entstandenen, durchgehenden Loch bezeichnet.

Steine dieser Art sind meist Feuersteinknollen mit herausgewitterten Kreideeinlagerungen. Der „echte“ Hühnergott hat ein Loch von etwa 5 bis 8 mm Durchmesser, in der Regel Überbleibsel eines einst eingelagerten fossilen Seelilienstängels. Hühnergötter kommen an der Ostseeküste, aber auch an der Nordseeküste (z.B. an den Stränden der Nordfriesischen Inseln) und in eiszeitlichen Geröllen des Binnenlandes vor und sind unter Urlaubern als vermeintliche Glücksbringer ein beliebtes Souvenir. Andernorts in Deutschland findet man solche Bildungen eher selten.

Bei dem Begriff Hühnergott bzw. der Vorstellung, mit als Talisman gedeuteten entsprechenden Gegenständen das Hausgeflügel gegen böse Geister schützen zu können, handelt es sich um einen sehr alten slawischen Volksglauben. Im vorliegenden Fall geht es um die Abwehr des schädlichen Einflusses eines weiblichen Hausgeistes, der sogenannten Kikimora.

Die Kikimora ist eine zum Poltergeist umgewidmete alte slawischen Gottheit. Ihr wird unter anderem nachgesagt, dass sie Fäden spinnt, poltert, demjenigen, der sie sieht, Unglück bringt – und das Hausgeflügel stiehlt oder es am Eierlegen hindert. Um den bösen Einfluss abzuwehren, muss man den abgeschlagenen Hals eines Kruges oder aber einen Stein mit einem natürlichen Loch bei den Ställen aufhängen. So kann man es z.B. in dem im 19. Jahrhundert entstandenen und bis heute unter Wissenschaftlern wie sprachinteressierten Laien sehr populären Wörterbuch der großrussischen Sprache von Wladimir Dal nachlesen. Die Vermutung, es handle sich um einen Glauben der Krimtataren, wie sie beispielsweise in der unten erwähnten Erzählung Jewtuschenkos vorkommt, greift daher zu kurz. Die Krimtataren haben hier mit einiger Wahrscheinlichkeit Vorstellungen ihrer slawischen Nachbarn übernommen.

Das Wort Kuriny bog (russ. куриный бог; Hühnergott) seinerseits bezeichnet im slawischen Sprachraum nicht nur Lochsteine, sondern auch andere gebrauchte und zerschlagene Gegenstände, etwa alte Gefäße ohne Boden oder abgetragene Bastschuhe, was man inzwischen im russischen Internet nachlesen kann (s. unten).

Da der Begriff Hühnergott in älteren deutschsprachigen Nachschlagewerken des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere im Wörterbuch der deutschen Sprache der Gebrüder Grimm, zu fehlen scheint, gilt er als Neologismus. Längere Zeit wurde vermutet, der deutsche Begriff gehe auf die 1966 erschienene Übersetzung der gleichnamigen, 1963 verfassten Novelle von Jewgeni Jewtuschenko durch Thomas Reschke zurück. Es gibt inzwischen aber mehrere Nachweise, dass der Begriff Hühnergott im Deutschen schon längere Zeit existiert. Der älteste bisher bekannte Nachweis entstammt, wie Freunde Reschkes auf dessen Bitte hin ermittelt haben, dem 1927 bei de Gruyter in deutscher Sprache erschienenen Buch von D. Zelenin zur ostslawischen Volkskunde (s.u.).

Der Begriff fand 1975 Eingang in den DDR-Duden, wurde aber im nach 1990 vereinigten Duden wieder getilgt. Die im Jahr 2000 erschienene 22. Auflage des Bandes Die deutsche Rechtschreibung verzeichnet ihn jedoch wieder.

Lochsteine als schützende Talismane haben in der Vergangenheit in ganz Europa und darüber hinaus eine Rolle gespielt. Belegt ist dies zum Beispiel für den germanischen, etwa den angelsächsischen und alemannischen, wie auch den französischen Volksglauben. So wurden sie beispielsweise in der Schweiz und in Frankreich in Kuh- und Pferdeställen aufgehängt, um das Vieh vor Unglück zu bewahren. Auch in Deutschland waren solche Vorstellungen verbreitet. Zwar nannte man die Lochsteine „Trutensteine“, „Schratensteine“ oder ähnlich, dachte aber genau wie beim Hühnergott an die Abwehr von Hexen und Geistern, eben der „Truten“ oder der „Schrate“, und deren bösem Zauber. Interessanterweise hat auch dieser Volksglaube ein Analogon bei den Ostslawen, das als Viehgott (skotij bog, russ. скотий бог) bezeichnet wurde. Ähnlich wie beim Hühnergott dienten hierfür neben anderen Dingen Lochsteine, die an gut sichtbarer Stelle aufgehängt wurden, um „böse Blicke“ abzuwenden und den unter anderem als Beschützer des Viehs angesehenen heidnischen slawischen Gott Weles zu beschwören. Nicht unerwähnt soll dabei bleiben, dass die in manchen Quellen angeführte Beziehung der „Hühnergötter“ zum germanischen Donnergott Thor (Donar), dem unter anderem auch das Huhn heilig gewesen sein soll, nicht abwegig ist, denn die slawischen Gottheiten Weles (Wolos), dessen meist als slawische Hauptgottheit betrachteter Gegenspieler Perun und der germanische Donnergott Thor weisen eine Reihe ähnlicher Züge auf.

  • Quelle: Wikipedia
  • Foto: helga-ingo.de
  • 5 Gedanken zu „Hühnergott

    1. Eva

      toll, was Du wieder ausgegraben hast … ich habe auch einen Lochstein, keine Ahnung, ob er echt ist … aber jetzt schätze ich ihn um so mehr … viele Grüße aus Franken von Eva (mal kräftig mit der Fahne winke)

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    2. Strandsteine

      Liebe Helga,
      wie schön, bei Dir zu lesen…
      ich erkannte meine „Loch“steinschätze
      diese tolle Namensgebung nicht an…schmunzel..
      achso..meine Lochsteine sind alle aus Dänemark,
      zwischen Blavand und Thyboren gesammelt…
      die sie jetzt mit anderen Augen ansehenden Steine

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    3. Eveline

      Von den Hühnergöttern (toller Name *gg) mal abgesehen: toll gebastelt hast du, danke für den riesen Schmeiler 😀
      … und Danke für alles andere…..
      Wird schon….
      Liebe Huggels *ganzsanft* 🙂
      Eveline

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    4. Beate Neufeld

      Wieder einmal sehr interessant, so ausführliche Infos über die Bedeutung hatte ich bisher nicht gelesen.
      Ich hab mal am Rhein in Speyer eine solchen Stein gefunden.
      Sei herzlich gegrüßt von:
      Beate

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    5. Heiko

      Ich habe lange an der See nach dem EINEN,DEM EINEN HÜHNERGOTT !!! gesucht,ja also ich bin im Jahre 1999 Zelten an der Ostsee gewesen,ein super Sommer, mit best Wether ever,einem ganzen Zeltplatz voller lieber,feiergelaunter Teenager,hatte 5 Leute dabei,ja beim Schwimmen kam plötzlich Wind auf ,der immer größere Mengen von Wasser Richtung offene See drückte,es kam noch ein Gewitter dazu, wir wollten sie schnell es ging raus !!!!!Mich erwischte drei vier Mal eine größere Welle,ich geriet unter eine Welle,in die sogenannte „WASCHMASCHINE“ ging unter,wirbelte umher,kurz vorm Ertrinken,zog mich eine von meinen Begleiterrinnen am Ellbogen und rettete mir damit 100%-ig
      das Leben,seither schwimme ich nicht mehr in der Ostsee.
      Ja und genau 18 Jahre später an der selben Stelle,ziehe ich einen HÜHNERGOTT MIT GENAU 18 LÖCHERN AUS DER OSTSEE
      Glück, Schicksal, Bestimmung , ZUFALL
      Aber ob oder nicht !!! Ich bewahre diesen Hühnergott auf wie das Allerheiligste auf der Welt

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