Bei den Würzburger Lügensteinen (auch Beringersche Lügensteine) handelt es sich um gefälschte Fossilien aus dem Muschelkalk von Würzburg, die Anfang des 18. Jahrhunderts in erheblicher Anzahl von dem Würzburger Professor Johannes Bartholomäus Adam Beringer erworben wurden. Es handelt sich um die wohl bekanntesten Fossilfälschungen in der Geschichte der Paläontologie.
Beringer war Doktor der Medizin und der Philosophie sowie Leibarzt des Fürstbischofs von Würzburg, ein begeisterter Naturalien- und Kuriositätensammler und hatte eine große Sammlung von Fossilien angelegt, die er ankaufen ließ oder von Exkursionen in die nahegelegenen Steinbrüchen mitbrachte. Am 31. Mai 1725 wurden ihm von drei Jugendlichen mehrere sonderbare Steine aus Kalkstein zugetragen. Die 18, 17 und 14 Jahre alten Überbringer behaupteten, die Steine an einem Berg bei Eibelstadt gefunden zu haben. Beringer war zunächst misstrauisch, grub bei einem Besuch des Fundorts jedoch selbst solche Steine aus und bat daher die Jugendlichen, weitere Grabungen vorzunehmen. Nach Beringers eigenen Angaben wurden in den folgenden sechs Monaten ungefähr 2000 Stücke ausgegraben und von ihm gegen mehr als 300 Reichstaler erworben.
Die Steine zeigten Unerhörtes: Pflanzen und diverse versteinerte Tiere, zum Beispiel eine Fledermaus mit Flügeln und eine Riesenmilbe, die gerade eine Fliege gefangen hat, ferner eine Spinne im Netz und eine Biene im Anflug auf eine Blüte. Aber auch andere Objekte wurden gefunden, die in jener Zeit, in der die Erschaffung der Welt in sieben Tagen und die Sintflut auch von vielen Forschern noch wörtlich geglaubt wurden, keinen Anstoß erregten: hebräische Schriftzeichen, die den Namen Jahwe ergaben, geschweifte Sterne und andere sonderbare, kosmologische Zeichen. Manche dieser Steine weisen humoristische Motive auf, wie beispielsweise kopulierende Frösche oder Fliegen, die nicht im Skelett, sondern in Form naiver Relief-Arbeiten gestaltet sind. Viele Insekten sind zu sehen, darunter eine versteinerte Made, die genau in eine Bohrung im Gestein passt, sowie Wirbeltiere, die aus einem Loch aus dem Stein hervor schauen. Auf einen heutigen Betrachter wirken diese Fälschungen plump, ja geradezu lächerlich. Berücksichtigt man jedoch, dass in der damaligen Zeit nur die bloße Existenz von Fossilien bekannt war, aber niemand etwas über ihr Entstehen wusste, erklärt sich, weshalb die Fälschungen zunächst nicht erkannt wurden. Auch die Fossilisationslehre war nicht entwickelt, so dass einem damaligen Naturforscher ein versteinertes Skelett als ebenso möglich erschien wie die Versteinerung eines vollständig erhaltenen Körpers oder auch eines Symbols.
Beringer selbst hat zunächst an die Echtheit der von ihm Figurensteine genannten Funde geglaubt, auch wenn er in Betracht zog, dass einzelne Objekte gefälscht sein könnten. 1726 veröffentlichte er seine Entdeckungen in einem aufwendig gestalteten Buch mit dem Titel Lithographiae Wirceburgensis, in dem er die Funde mit detailreichen Zeichnungen auf 21 Kupferstichen katalogisierte und gemeinsam mit echten Fossilien beschrieb. Ferner beschrieb er die Fundstelle und erörterte, wie die Funde nicht entstanden sein konnten. Da er letztlich keine Antwort auf die Frage nach ihrem Entstehen fand, bat er in seinem Werk die Gemeinschaft der Fachgelehrten, sich ebenfalls der Aufklärung dieser Frage zu widmen.
Kurz nach dem Erscheinen der von ihm privat finanzierten Fundbeschreibung wurde der Schwindel aufgedeckt – angeblich nachdem ein Stein entdeckt worden war, der seinen eigenen Namen trug. Beringer versuchte daraufhin, die gesamte Auflage seines Werks zurück zu kaufen und ließ viele in seinem Besitz befindliche Exemplare vernichten. Es heißt, er habe sich auf diese Weise finanziell ruiniert. Da auch sein wissenschaftlicher Ruf ruiniert war, zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Dennoch konnte er die Häme der Presse und der Kollegen nicht verhindern. Nach Beringers Tod wurde der Restbestand seines Werkes von einer Leipziger Bibliothek gekauft und mit neuem Titel 1767 herausgegeben. Bis heute sind etwa 300 – 450 Exemplare dieser Lügensteine erhalten, ausgestellt sind sie u.a. in der Sammlung des Geologisch-Paläontologischen Instituts der Universität Würzburg, im Würzburger Mainfränkischen Museum, im Naturkunde-Museum Bamberg, im Teylers Museum zu Haarlem und in der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und historische Geologie in München. Auch der Dichter Eduard Mörike sowie der Erbauer der Würzburger Residenz, Balthasar Neumann, besaßen seinerzeit solche Steine.
Aus Vernehmungsprotokollen geht hervor, dass Beringer die Artefakte von zwei Würzburger Kollegen untergeschoben bekam:Ignatz Roderique, Professor für Geographie, Algebra und Analysis, sowie Johann Georg von Eckart, Geheimer Rat und Hof- und Universitätsbiliothekar. Sie hatten sich über Berniger geärgert, „weil er so hoffärtig seie und sie alle verachte“. Roderique soll den Protokollen zufolge die Figuren in Eckards Wohnung ausgemeißelt, der 17jährige Jugendliche soll sie anschließend mit feinem Schleifpulver geglättet haben. Die beiden anderen Jugendlichen waren für das Vergraben zuständig.
Eine sehr interessante Steingeschichte, die du da wieder ausgegraben hast. Sie klingt so unglaublich als wären nicht die Fossilien sondern die ganze Geschichte gefälscht…
Hallo liebe Helga 🙂
was für eine dolle Geschichte .. ich kann mir vorstellen, daß früher solche Fälschungen aufgrund des Wissensstandes als echt durchgegangen sind, während man heutzutage vermutlich eher „einmal zu viel“ zweifeln bzw. überprüfen würde, ehe man etwas glaubt.
Ich finde Fossilien ja sehr faszinierend und kann mich noch gut an meine enorme Begeisterung erinnern, als ich als Kind in einem Fluss bei Schwäbisch Hall eine versteinerte Muschel gefunden habe .. auch meine Eltern meinten damals, das müsse echt sein, obwohl es fast unglaublich schien .. ich muß den Stein mal suchen (wenn er nicht noch bei meinen Eltern irgendwo ist).
Danke dir übrigens sehr für deinen Hinweis wegen dem Favicon! Ich hatte das vor einigen Tagen hochgeladen, aber nie selbst sehen können – daher bin ich davon ausgegangen, es hätte gar nicht funktioniert 😉
Jetzt hat mein Mann mal an einem PC mit Firefox/Mozilla geschaut – und da konnte er es auch sehen. Ich seh es hier (mit Internet Explorer) ebensowenig, wie zuhause. Es freut mich aber, daß es zumindest für manche Browser sichtbar ist 🙂
ganz liebe Grüße an dich 🙂
Das ist ja eine hoch interessante Geschichte. Ich meine, ich hätte davon schon mal was gehört, aber bestimt nicht so im Detail. Heute wird eigentlich erstmal eher alles angezweifelt bzw. gefälschte Fundstücke müssen schon sehr überzeugend sein, aber machbar ist es sicher immer noch.
Danke für diesen Beitrag.
Lieben Gruß und weiterhin einen schönen Urlaub
Elke